Zu Besuch in der Gemeinde des „Toronto-Segens“ Ein Erfahrungsbericht von Thorsten Brenscheidt, Bochum
Der 20. Januar 1994 gilt als „Geburtstag“ des so genannten Toronto-Segens. Eine Gemeinde der
charismatischen „Vineyard“-Bewegung in Toronto (Kanada) sorgte für weltweites Aufsehen. Dort traten exstatische und hysterische Phänomene wie Zittern, Schütteln, Umfallen, Tierlaute und angebliche
Geistausgießungen mit falschem, nachgemachten Zungenreden auf. Diese waren bereits in der Pfingst- und charismatischen Bewegung bekannt. Die Intensität dieser und weiterer spektakulärer Erscheinungen
in Toronto machte die Gemeinde schließlich weltbekannt. Auch aus Deutschland kamen Gemeindeleiter angereist, um den Toronto-Segen „mitzunehmen“. Dies sorgte zu einem regelrechten
„Segens-Tourismus“ mit weltweit bis zu vier Millionen Besuchern. Die Gemeinde bezeichnet ihr Phänomen mit dem daraus resultierenden Gemeindewachstum als „Erweckung“. Der angebliche Segen sorgte
aber weltweit für unzählige Spaltungen, Verwirrungen und erhebliche Skepsis auch innerhalb der charismatischen Bewegung. Die Vineyard-Bewegung trennte sich bereits 1995 von der Gemeinde in Toronto. Dem
Druck, Phänomene wie Tierlaute nicht mehr zuzulassen, wollte sich die Gemeinde nicht beugen. Alle auftretenden schwärmerischen Manifestationen und chaotischen Zustände wurden weiterhin dem Heiligen
Geist zugeschrieben. Mittlerweile nennt sich die Gemeinde „Catch the Fire“. Am 18. Mai 2011 betraten wir als deutsche Reisegruppe nun die berühmte Gemeinde, unangemeldet und nicht im
Wissen, ob die Gemeinde überhaupt geöffnet ist. Einige Bibelschülerinnen begrüßten uns freundlich und holten den Hauptpastor Steve Long hinzu. Mit seiner freundlichen und sympathischen Art hoffte
Long auf Vertrauen zu stoßen. Jedoch blieben alle Teilnehmer der Reisegruppe skeptisch. Auf der Hinfahrt wurden sie über Ursprung und Art der Verführung informiert. Nach einem kurzen Info-Gespräch
fragte Long, ob er noch zwei Minuten für jeden beten könne. Dies wurde mit den Worten bejaht, man könne ja zusammen noch beten. Dann ging Long einen Schritt weiter und fragte, ob wir uns alle an die
Hand nehmen könnten. Hier schritten Lothar Gassmann und ich ein, dass wir dies nicht mögen würden. Das Anfassen beim Beten gehört bei Charismatikern zu den stimulierenden Elementen, durch Schütteln
und zu Boden reißen das Kommen des Heiligen Geistes zu „bewirken“. Long akzeptierte aber unsere Ablehnung und betete schließlich in der für Charismatiker gewohnt manipulativen Weise. Zum einen
stellt die Art, wie und zum anderen was Charismatiker inhaltlich beten eine gefährliche Beeinflussung dar. Auch Long vermittelte in seinem Gebet eine unnüchterne Leidenschaft und Sehnsucht nach dem
Wirken des Heiligen Geistes. Die Erwartung seines unmittelbaren Kommens wirkt suggestiv. Durch diese gefühlsmäßige Beeinflussung werden biochemische Prozesse im menschlichen Körper ausgelöst.
Reaktionen auf diese psychische Einflussnahme werden als Wirken des Heiligen Geistes gedeutet. Und je heftiger die Phänomene auftreten, desto mehr wirke der Geist. Unsere Gruppe wurde
jedoch von auffälligen Phänomenen bewahrt; lediglich eine Teilnehmerin, die beim Gebet neben Pastor Long stand, merkte, wie ihr schwindelig wurde. Der Reiseleiter der Gruppe, Michael Hansel, betete
direkt im Anschluss und hob deutlich die Wichtigkeit des Wortes Gottes hervor. Zu diesem Gebet konnten wir auch wirklich „Amen“ sagen. Das Gebet von Pastor Long haben wir uns lediglich angehört und
nicht mit „Amen“ bestätigt. Nach Martin Luther ist der Heilige Geist an das Wort bzw. deren Verkündigung gebunden und unabhängig davon nicht zu haben. Geist ohne Wort ist für Luther schlichtweg
Schwärmerei. So konnten wir durch einen spontanen Besuch ganz persönlich die direkten Umstände mit und bei Charismatikern erleben. Währenddessen kam mir der Gedanke, dass es eigentlich ein Wagnis
ist, da wir schließlich mit einem Geist der Verführung konfrontiert wurden. Aber die fundierte Vorbereitung sowie das Gebet um Bewahrung hielt und hält uns weiterhin allein am HERRN und seinem Wort.
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